Als ich vor einigen Jahren Kurt kennen lernte, konnte ich ihn von Anfang an gut leiden. Seine direkte Art gefiel mir, man wusste, woran man bei ihm war. Damals war er im Detailhandel tätig, er hatte grosse Verantwortung zu tragen und stand unter enormem Druck.
Nicht alle um ihn herum konnten mit ihm umgehen, manchmal fühlten sie sich vor den Kopf gestossen oder ungerecht behandelt. Kritik kam sehr schnell über seine Lippen. Mit dem Tempo, das er vorlegte, konnte kaum einer mithalten und für Lob und Anerkennung nahm er sich kaum Zeit. Wut brauste oft unkontrolliert aus ihm hervor und er verurteilte Menschen in Sekundenschnelle.
In unseren gemeinsamen Gesprächen erzählte mir Kurt, dass er absolut nicht zufrieden sei in seinem Job, dass er sich nicht wohl fühlte in seinem Team und schon gar keinen Draht fand zu seinem Vorgesetzten. Er rieb sich fast täglich auf. Es kam, wie’s kommen musste: Kurt wurde krank und er konnte mehrere Monate nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren.
Kurt im Heute
Auch heute treffe ich Kurt noch ab und zu. Er ist zwar müde, weil er viel arbeitet, aber er strahlt. Er erzählt freudig von seinen spannenden Projekten, ist entspannt, klar und irgendwie liebevoll unterwegs. Was meine ich damit? Sein Herz ist voller Liebe, Anerkennung und Respekt. Respekt für sich selber. Seine Ausdrucksweise ist anders. Ich höre keine Kraftworte mehr. Wenn er über andere Menschen spricht, ist dies nach wie vor offen und ehrlich, aber respektvoll, empathisch und – liebe-voll.
Nach wie vor ist Kurt ein brillanter Kopf, ein Denker, ein sachbezogener Analytiker. Mittlerweile erfolgreich in einer beruflichen Neuorientierung. Diese Qualitäten sind ein wichtiger Teil von ihm. Dass es ihm nun gelingt, diese mit seiner empathischen, auch verletzlichen Seite zu kombinieren, macht ihn zu einem rundum erfolgreichen und zufriedenen Menschen. Er braucht nicht mehr 70% seiner Energie um seine Begrenzungen in Schach zu halten, sondern kann nahezu 100% für ein erfülltes Leben einsetzen – beruflich, wie privat.
Die Transformation
Was ist passiert, magst du denken, lieber Leser? Nein, es waren keine Drogen im Spiel, ich habe auch keine Halluzinationen :-).
- Kurt hat nach seinem Zusammenbruch beschlossen, sich auf einen Coachingprozess einzulassen.
- Er hatte gespürt, dass in ihm so viele Dinge einer Auflösung harren; Themen, die seelischen und emotionalen Ballast bedeuteten.
Oder wie wir sagen: Begrenzungen, die extrem viel Energie konsumieren – das geht jeweils so lange, bis unser System zusammenbricht, oder bis wir, hoffentlich vorher, reagieren.
Kurt hat es geschafft, für ihn schwierige familiäre Themen aufzulösen indem er sich ihnen gestellt hat. Das wichtigste war jedoch, dass er dadurch den Weg zu sich selber gefunden hat, zu seinem authentischen Kern. Er kann diesen heute annehmen und respektieren. Er kennt und spürt seinen eigenen Wert und gibt sich selber die Wertschätzung, die er verdient.
Innere Versöhnung
Zu guter Letzt: Kurt hat sich mit sich selber und allem, was geschehen ist, versöhnt. Stolz sagt er: „Ich stehe für mich ein, ich setze Grenzen und kann sogar sagen, dass ich etwas gut gemacht habe“. Seine Augen strahlen voller Zufriendenheit – er hat Frieden mit sich selber geschlossen. Und da er diesen nun in sich trägt, kann er ihn auch nach aussen tragen und leben. Schwarz – weiss Verurteilungen braucht er nicht mehr, diese waren nichts anderes als Repräsentanten seiner inneren Kämpfe – auch gegen sich selber.
Von der Verurteilung zur Versöhnung
Die Versöhnung mit sich selber ist ein zentraler Punkt im gesamten Prozess von der Verurteilung zum Versöhnen. Kurt’s Beispiel zeigt schön, dass wir nur geben können, was wir in uns tragen und dass unser Verhalten und unser Umfeld Spiegel unserer Innenwelt sind.
In meinem letzten Blog zu diesem Thema habe ich einige erste Schritte aufgezeigt, wie Versöhnung stattfinden oder zumindest eingeleitet werden kann.
Eine Antwort
Liebe Antoinette
ich freue mich mit dir, wie subtil und tiefgreifend du dieses Thema angehst. Du wirkst mit an der Erlösung von soviel Gefangenen ihrer Selbst. Wie schön! Und wie berührend auch. Tolle Arbeit machst du, gratuliere!